Mandawa Rajasthan Reise

Die kleine Wüstenstadt Mandawa liegt ca. 260 km westlich von Dehli in der Region Shekhawati. Die zentrale Lage zwischen Delhi, Bikaner und Jaipur macht den Ort zu einem guten ersten und letzten Zwischenstopp auf Rundreisen, daher hat sich Mandawa mittlerweile zu einem der Zentren des Tourismus in Shekhawati entwickelt. Hauptattraktion hier sind die vielen Haveli, die gleichzeitig als Warenlager und Wohnhaus dienenden Anwesen reicher Kaufmannsfamilien, die besonders in dieser Gegend überreich mit aufwändigen Wandbildern verziert sind. Sie wurden zwischen dem späten 18. und dem frühen 20. Jahrhundert von den Marwari-Kaufleuten der Region erbaut. Durch ein hohes Tor, das auch beladene Kamele passieren konnten, gelangte man in einen von mehrstöckigen Gebäuden umschlossenen Hof. Hier lagen der oftmals besonders prachtvoll ausgeschmückte Empfangsraum für Gäste (Baithak), aber auch Lagerräume und Quartiere für die Männer. Kleine Türen führten in den zweiten privaten Hof des Haveli, wo sich das häusliche Leben der Familie abspielte.

Gegründet wurde Mandawa 1765 von Sardul Singh. Er gab dem Dorf, durch das früher die alte Seidenstraße verlief, durch den Bau eines Forts und einer Stadtmauer die notwendige Sicherheit für seine spätere Entwicklung zur Handelsniederlassung. Fort und Stadtmauer sind es auch zu verdanken, dass 1828 eine Belagerung durch den Thakur von Jaipur und den Thakur von Sikar erfolgreich abgewehrt werden konnte. Da die Fürstentümer Bikaner im Nordwesten und Jaipur im Süden zu Beginn des 19. Jh. hohe Zölle für den Warentransit verlangten, um ihre Staatskassen zu füllen, konzentrierte sich der Handel auf den großen Karawanenrouten bald in der Shekhawati-Region als zollfreiem Gebiet. Gehandelt wurden Stoffe, Tabak, Edelmetalle, Opium, Schmuck, Papier und Elfenbein, aber auch Eisenerz Weizen, Reis und Trockenobst.

Mandawa kam so rasch zu einigem Reichtum und die ansässigen Kaufleute begannen, ihren Reichtum durch künstlerische Ausgestaltung ihrer Havelis nach außen hin zu demonstrieren. Dass sie dabei nicht den verfeinerten höfischen Still zu imitieren versuchten, sondern ihren persönlichen Geschmack ganz unverblümt zur Schau stellten, macht den besonderen Reiz dieser Volkskunst am Bau aus.

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Die meisten bemalten Havelis findet man entlang der von Ost nach West verlaufenden Hauptstraße, an deren Ende sich ein prächtiges Tor befindet. Die vielen Wandbilder verbinden sich dabei zu einem einzigartigen Bilderbuch indischer Kultur an der Schwelle zur Neuzeit. Waren anfangs noch Arabesken, Blumenmustern oder Vögel die Hauptmotive kamen nach und nach auch religiöse Motive hinzu, Szenen aus den zwei Epen (dem Ramayana und dem Mahabharata), aus lokalen Volksmärchen, sowie Jagdszenen. Später dann finden sich an den Fassaden zahlreicher Havelis dutzendweise auch Motive mit europäischem Einschlag, wobei die Darstellungen oft von der Vorstellungskraft der Maler beeinflusst wurden. So findet man an der Fassade des Balkishan Sriram Saraf-Haveli beispielsweise das verblichene Bild eines Schiffs und einer Eisenbahn. Am Madanlal-Haus wird ein Engländer auf dem Fahrrad dargestellt. Da der Künstler offensichtlich nie eines dieser Vehikel gesehen hatte, sind ihm ein paar amüsante Fehler unterlaufen.

Am Binsidhar Newatia Haveli kann man in präzisen Bildern die Geschichte des modernen Transportwesens verfolgen: eine europäische Frau in einem Auto mit Chauffeur, die Gebrüder Wright in einer sonderbaren Flugmaschine mit nur einem Flügel, sowie Lilienthal mit seinen Mehrfach-Flügeln aus Segeltuch. Dazu ein Junge, der ein Telefon benutzt. An anderen Haveli wiederum findet man eine weiße Frau in einer Badewanne, eine kirchliche Trauung, ein Grammophon, Europäer mit modischen Hüten und viktorianischem Putz und am Nandalal Murmuria – Haveli (1935) gibt es neben Gandhi und Nehru sogar einen Blick auf Venedig zu bewundern. Aus der häufigen Abbildung britischer Offiziere und Truppen lässt sich darüber hinaus auf ein recht gutes Verhältnis schließen, begründet im militärischen Schutz der empfindlichen Handelswege. Die Kaufleute machten keinen Hehl daraus, dass sie Nutznießer der Fremdherrschaft waren.

Heute wohnen fast alle der ehemals ansässigen Händlerfamilien in den großen Städten. Bei einem Rundgang durch Mandawa kann man den einstigen Reichtum des Ortes manchmal nur erahnen. Die alten Familienpaläste verfallen und die gemalten Bilder sind teilweise verwittert und verblichen, weil das Geld oder das Interesse für die Erhaltung fehlt. Erotische Darstellungen wurden vielerorts von prüden Zeitgenossen übertüncht. Teilweise werden die Haveli noch von Wächtern oder Familienangehörigen bewohnt, die einen oft gegen einen Obolus die Innenhöfe mit ihren Wohnräumen besichtigen lassen. Der zunehmende Tourismus hat jedoch auch zur Folge, dass nach langen Jahren des Verfalls wieder verstärkt an der Erhaltung der historischen Gebäude gearbeitet wird.

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